„Viele Köche verderben den Brei“
Das duale Ausbildungssystem in Deutschland muss dringend reformiert werden. Das ist das Ergebnis einer an der Universität Bremen durchgeführten Studie über die dualen Ausbildungssysteme in der Bundesrepublik, Dänemark, Österreich und der Schweiz. Die vergleichende Studie wurde im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt. Ziel war es, die Qualität der Steuerung der Systeme zu untersuchen und wie die vier Länder auf dem Weg zu einer europäischen Berufsbildungsarchitektur die Stärken ihrer Systeme besser zur Geltung bringen können. Auch wurden 20 Handlungsempfehlungen für die deutsche Berufsbildungspolitik ausgesprochen.
„Die Ergebnisse sind selbst für die Fachwelt in Deutschland überraschend“, sagt Prof. Dr. Felix Rauner, Leiter der Forschungsgruppe Berufsbildungsforschung, die die aktuelle Studie erstellt hat. Man könne sie mit dem Sprichwort übersetzen: „Viele Köche verderben den Brei“. Dies werde im Vergleich mit der bei der Studie vorbildlich abgeschnittenen Schweiz deutlich, die eine vergleichbare föderale Staatsstruktur aufweise wie Deutschland und ebenfalls über eine lange Tradition in der dualen Berufsausbildung verfüge. In der Schweiz werde die zentrale Steuerung in einem Bundesamt für berufliche Bildung und Technologie konzentriert und gebündelt. Akteure vor Ort hätten für operative Aufgaben viele Gestaltungsfreiheiten. Dagegen existiere in Deutschland bei der zentralen Steuerung eine kaum übersehbare Zahl von Akteuren. Lokale Organisationen hätten viel zu wenig Gestaltungsspielräume.
Deutsche Auszubildende im Durchschnitt drei Jahre älter als ihre österreichischen Kollegen
Während es in Österreich, Dänemark und der Schweiz gelinge, den Übergang von der Schule in die Berufsausbildung beinahe nahtlos zu organisieren, liege Deutschland auch bei diesem zentralen Punkt der Steuerung des Berufsbildungssystems weit zurück. Deutsche Auszubildende seien im Durchschnitt drei Jahre älter als ihre österreichischen Kollegen, da sich in Deutschland ein Dschungel von Maßnahmen und Warteschleifen zwischen dem Schulabschluss und die Berufsausbildung geschoben hätte. „Dieses hausgemachte Problem ließe sich lösen“, so Rauner, „wenn Deutschland von unseren Nachbarn lernen würde, wie man einen nahtlosen Übergang von der Schule in die Berufsausbildung schafft.“
Europäische Länder mit dualer Berufsausbildung müssen mehr zusammenarbeiten
„Der Dreh- und Angelpunkt einer nachhaltigen Berufsbildungsreform ist nach dieser Studie eine Steuerung der beruflichen Bildung aus einer Hand und eine Stärkung der Gestaltungsspielräume bei der Organisation der beruflichen Bildung vor Ort“, sagt Rauner. Dies alles erfordere in Zukunft eine sehr viel stärkere Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern mit einer entwickelten dualen Berufsausbildung, wenn diese Berufsbildungstradition strukturbildend in Europa werden solle. Die mehr als zwanzig Empfehlungen in der gerade erschienenen Studie stützen sich auch auf negative Erfahrungen aus Ländern, in denen die Akademisierung der Bildung weit fortgeschritten ist. Dies zeigen die in die Studie aufgenommenen Länderstudien von Australien, den USA und den Ballungszentren Chinas.
Im methodischen Bereich wurde mit dieser Studie wissenschaftliches Neuland betreten. Denn erstmals wandten die Wissenschaftler eine Methode an, die es erlaubt, die Strukturen der Berufsbildungssysteme nicht nur systematisch miteinander zu vergleichen, sondern sie auch auf der Grundlage eines Kriterienrasters zu bewerten. Mit einer internationalen Expertengruppe aus den vier Ländern wurde dieses Bewertungssystem entwickelt. Nationale Expertengruppen haben dann in allen vier Ländern die Bewertungen ihrer Systeme vorgenommen.
Literatur:
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2009): Steuerung der beruflichen Bildung im internationalen Vergleich. Bertelsmann Stiftung. Gütersloh
Bestellmöglichkeiten unter: www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-0A000F0A-FCA46070/bst/hs.xsl/publikationen_91724.htm
Kurzfassung der Studie als Download: hier klicken.
Wetere Informationen:
Felix Rauner
Universität Bremen
FG Berufsbildungsforschung (I:BB)
Quelle: http://www.uni-bremen.de
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